Third Space

Follow-up der Tagung «Third Space» vom 22. März 2019

Im Zwischenraum – der akademische Nachwuchs und der Third Space an Schweizer Hochschulen

Dr. Heinz Nauer, SAGW

Rund 5000–8000 Postdocs arbeiteten an Schweizer Hochschulen, in der Regel in befristeten Projektstellen. Nur wenige von ihnen werden dereinst eine Professur bekleiden können. Eine Diskussionsveranstaltung der SAGW thematisierte neue akademische Professionen jenseits der bekannten Karrierewege.

Die Schweizer Hochschullandschaft ist in Bewegung. Die Universitäten und die anderen Hochschulen müssen sich mit einem Strukturwandel auseinandersetzen, der ab den 1990er Jahren durch die Reformen des «New Public Management» ausgelöst wurde. Der Wandel zeigt sich unter anderem darin, dass sich neben den klassischen universitären Bereichen der Lehre, Forschung und der Administration zunehmend ein drittes Feld etabliert, das zwischen Wissenschaft und Verwaltung angesiedelt ist.

Der promovierte Soziologe, der ein Forschungsprojekt koordiniert, Workshops durchführt und Spesen abrechnet, die Betriebswissenschaftlerin mit MBA-Abschluss, die eine Graduate School aufbaut, die Informatikerin, die Forschungsdaten und digitale Infrastrukturen kuratiert, der Psychologe, der für die Qualitätskontrolle im Prüfungssystem zuständig ist: Sie alle befinden sich in einem akademischen Zwischenraum, in einem Kontinuum von Rollen zwischen den Polen Wissenschaft und Verwaltung. Ihre Funktionen lassen sich nicht einer Stufe der Karriereleiter zuordnen, die zur Professur führt, sind aber auch keine klassischen Positionen des Managements oder der Administration. Die einschlägige Literatur fand für dieses Feld vor ungefähr zehn Jahren den Begriff «Third Space».

Raum für Kooperationen

Am 22. März diskutierten an der Veranstaltung «Third Space – Lehre und Forschung als kollektive Leistung» rund 40 Personen aus dem akademischen Feld – viele von ihnen selbst im Third Space tätig – über neue Wege und Positionen in diesem hybriden akademischen Zwischenraum. Ausgangspunkt der Veranstaltung war der Bericht «Next Generation: Für eine wirksame Nachwuchsförderung», den die SAGW 2018 publiziert hatte. Thomas Hildbrand, Autor des Berichts, hatte darin eine Karriere im akademischen Third Space als eine von mehreren beruflichen Alternativen für den wissenschaftlichen Nachwuchs innerhalb der Hochschulen vorgeschlagen. Das aktuelle pyramidenförmige System mit wenigen Professuren an der Spitze und vielen Postdocs zwei, drei Stufen weiter unten führe zur Situation «up or out», sagte Hildbrand in einem Referat, das die Veranstaltung eröffnete.Einen Keynote-Vortrag hielt die englische Bildungsforscherin Celia Whitchurch vom University College of London. Mit ihren Publikationen hat sie den Begriff «Third Space» ab 2008 international massgeblich geprägt (vgl. Whitchurch 2008). Whitchurch wies unter anderem auf die Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung hin, die sich in den sich wandelnden Hochschulen auch Mitarbeitern böten, die nicht im Bereich der Forschung und Lehre tätig sind. Sie könnten über bestehende institutionelle Grenzen hinweg neue Räume schaffen und gestalten, so Whitchurch. Der Third Space erscheint in dieser Perspektive nicht als Blackbox, sondern in einer positiven Umdeutung als ein Feld für Kooperationen mit möglichen Effekten auch auf eine Verbesserung von Forschung und Lehre.

«I am not a manager!»

Im Zentrum der Veranstaltung stand die offene Diskussion. Sie lässt sich in drei thematischen Punkten umreissen:

1. Anforderungen an Mitarbeitende

In der Schweiz arbeiten zwischen rund 5000 und 8000 Postdocs in befristeten Anstellungen. Nur wenige von ihnen werden je einen unbefristeten Arbeitsvertrag im Bereich der akademischen Forschung und Lehre erhalten. Man spricht von einer sogenannten «Postdoc-Blase». Könnten neue, unbefristete Positionen im Third Space dem wissenschaftlichen Nachwuchs neue Perspektiven bieten? Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer äusserten Bedenken gegenüber diesem Zugang. Denn wer im Third Space arbeitet, muss ein doppeltes Anforderungsprofil erfüllen. Nicht nur Vertrautheit mit den Kernfunktionen von Forschung und Lehre gehört dazu, sondern auch Expertise über das Hochschulsystem (was für Forscher und Hochschullehrer nicht unbedingt gelten muss). Wer ist für solche Funktionen besser geeignet, der promovierte Wissenschaftler mit Flair für Organisatorisches oder der Manager mit Affinität zur Forschung?

2. Durchlässigkeit von Karrierewegen

Das im Bericht «Next Generation» vorgeschlagene Modell (Abb. 1) sieht Durchlässigkeiten zwischen den verschiedenen Karrierewegen vor. Doch gibt es einen Weg aus dem Forschungsmanagement zurück in die Forschung? Darf beispielsweise ein erfolgreicher Hochschulmanager eine Professur erhalten, auch wenn er keine Habilitation vorzuweisen hat? Es brauche auch auf alternativen Karrierewegen Perspektiven, die ähnlich attraktiv seien wie eine Professur, sagte Christina Röcke von der Universität Zürich. Ansonsten könnte sich der Third Space als Abstellgleis erweisen – nicht zuletzt für weibliche Forscherinnen.

3. Reputation und Terminologie

Kontrovers diskutiert wurde insbesondere die Frage der Terminologie. Ist es der erste Zweck der Debatte, schlicht zu benennen, was bereits da ist und, wie es eine Teilnehmerin formulierte, ein «Feintuning» innerhalb der bestehenden Struktur vorzunehmen? Bezeichnungen für die Personen im akademischen Zwischenraum gibt es einige: «Third Space Professionals, «New Professionals» oder im deutschen Sprachraum auch «Hochschulprofessionelle» oder schlicht «Forschungs-» oder «Universitätsmanager». Eine Teilnehmerin sagte dazu dezidiert: «I am not a manager!»

Letztlich sei auch «Third Space» «nur ein Begriff» («just a concept»), sagte Celia Whitchurch; aber ein nützlicher Begriff, denn er verschaffe wenig sichtbaren Positionen («hidden activities») Sichtbarkeit und helfe den Akteuren, ihre Rolle im Hochschulsystem zu entwickeln und zu kommunizieren. Die Frage nach der Terminologie und Begrifflichkeit ist so gesehen keineswegs banal. Viele Voten hoben in der Diskussion denn auch hervor, dass es letztlich um stärkere Anerkennung («recognition») der geleisteten Arbeiten in den Bereichen akademischer Koordination, Organisation und Support gehe. Klare Namen und Funktionsbezeichnungen wären hier sicher nicht hinderlich.

Literatur

Hildbrand, Thomas (2018): Next Generation: Für eine wirksame Nachwuchsförderung (Swiss Academies Reports 13,1) (PDF)
DOI: doi.org/10.5281/zenodo.1216424.
Publikation (PDF)

Schneijderberg, Christian et al. (2013) (Hg.): Verwaltung war gestern? Neue Hochschulprofessionen und die Gestaltung von Studium und Lehre, Frankfurt am Main..
Link

Whitchurch, Celia (2008): Shifting identities and blurring boundaries: The emergence of third space professionals in UK higher education, in: Higher Education Quarterly 62/4, S. 377–396
Link

Whitchurch, Celia, William Locke und Giulio Marini (2019): A Delicate Balance: Optimising Individual Aspirations and Institutional Missions in Higher Education (Centre for Global Higher Education working paper series 45).
Link (PDF)

Whitchurch, Celia (2019): From a diversifying workforce to the rise of the itinerant academic (Higher Education, Volume 77, Issue 4)
Link