Gesundheitsforschung

Grundlagen

Drei sich ergänzende Perspektiven müssen verknüpft werden: Ein empirisch prüfbares Verständnis der Wechselwirkungen von Eigenschaften, Ressourcen, Beeinträchtigungen und Handlungsentscheidungen auf der Individualebene; ein empirisch prüfbares Verständnis des Einflusses verschiedener soziostruktureller Faktoren auf die Handlungs-, Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten und damit auf die für die Lebensqualität relevanten Lebens- und Verwirklichungschancen in einem gegebenen strukturellen Kontext; ein systematisches Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Individualfaktoren, Kontextfaktoren und Handlungsentscheidungen. Was die personalisierte Medizin im klinischen ‚Krankheitskontext’ leisten will, soll das individualisierte Gesundheitsverständnis im Alltagskontext leisten. Methodisch setzt diese Konzeption die äusserst anspruchsvolle Entwicklung von alltagstauglichen, kontextualisierten und individualisierten Messverfahren voraus. Die hohe Verfügbarkeit von ‚Second-Devices’ und Feedback-Technologien und Big Data gestützte Methoden schaffen jedoch Voraussetzungen für ein ‚Real Life Health Outcomes Measurement’ (RLHOM).

Eine erste Umsetzung und Sichtung dieser Ansätze war Gegenstand der Tagung "Gesundheitsforschung: Perspektiven der Sozialwissenschaften", welche 2013 in Freiburg stattfand. Sie zeigte das hohe Potenzial einer sozial- und geisteswissenschaftlicher Gesundheitsforschung auf. Gemessen am Gewinn von funktionaler Lebensqualität und Lebensglück ist längst nicht jede mögliche medizinische Intervention sinnvoll und wünschbar. Auch aufgrund der gestiegenen Lebenserwartungen nimmt die Zahl der Personen zu, die trotz gesundheitlichen Einschränkungen ein selbstbestimmtes Leben führen wollen. Schliesslich benötigt die zunehmende Zahl von Betroffenen von Multimorbidität neue Behandlungskonzepte und -strategien. Sozialwissenschaftliche Ansätze und Methoden sind in hohem Masse geeignet, einen Beitrag zur Bewältigung dieser Problemlagen und Herausforderungen zu leisten. Die SAGW will zukunftsweisende Konzepte, Methoden und Perspektiven der Gesundheitsforschung zur Dikussion stellen. Als wegweisend erachten wir dabei dei Konzepte der Vulnerabilität, der Resilienz und der Lebensqualität sowie deren Stabilisierung im Lebensverlauf.

Publikationen zur Gesundheitsforschung

Publikation "Gesundheitsforschung in der Schweiz – Thematische Schwerpunkte, institutionelle Verankerung" der SAGW

Eine Übersicht zur sozialwissenschaftlichen Forschung über Gesundheit in der Schweiz war bislang nicht greifbar. Mit dieser im Auftrag für die SAGW 2012 erstellten Studie wurde diese Lücke geschlossen. Für die sozialwissenschaftliche Forschung im Bereich Gesundheit ziehen die Autoren der Studie Yvonne Treusch, Dr. Andreas Bänziger, Prof. Dr. Julie Page und Prof. Dr. Peter Rüesch (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW) folgende Schlüsse: Die heterogene Verteilung der Gesundheitsforschung auf viele Einzelinstitutionen lässt eine Schwerpunktbildung vermissen und erschwert den Aufbau einer kritischen Kompetenzdichte im Bereich Gesundheitsforschung. Eine Konzentration über den Ausbau entsprechender Lehrstühle an sozialwissenschaftlichen Instituten ist notwendig. Nebst den Universitäten sind sozialwissenschaftliche Kompetenzen in privaten Forschungsbüros und an den Fachhochschulen auszumachen. Mit einer besser organisierten Vernetzung der SozialwissenschaftlerInnen an Universitäten und Fachhochschulen könnte der Fragmentierung entgegengewirkt und die Schwerpunktbildung unterstützt werden. Diese Studie war Anlass, das Netzwerk Gesundheitsforschung aufzubauen. Im Fokus steht eine individualisierte Erhaltung und Stabilisierung der Lebensqualität im Alltagskontext. Dies erfordert Konzepte, welche die Dynamik der Herstellung individueller Lebensqualität im sozio-kulturellen und historisch-biographischen Kontext über die gesamte Lebensspanne abbilden.

Publikation «Gesundheitsforschung in der Schweiz» (PDF)

SAGW-Bulletin

Bulletin 3/2013 "Gesundheitsforschung. Perspektiven der Sozialwissenschaften"

Bulletin 3/2012 "Gesundheitssystem im Wandel"