Gesundheit

Das schweizerische Gesundheitssystem ist sehr leistungsfähig. Gerade deswegen stösst es an finanzielle und personelle Grenzen. Längst nicht jede mögliche medizinische Intervention ist sinnvoll. Wichtig ist vielmehr die individuelle Lebensqualität und ein selbstbestimmtes Leben.

Da sich die Gesundheitsforschung bisher vorwiegend mit dem kranken Menschen und dessen Therapie sowie Rehabilitation befasste, sind die Bedingungen und Faktoren, die Gesundheit und Lebensqualität ermöglichen oder stabilisieren, vergleichsweise wenig erforscht. Sozialwissenschaftliche Ansätze und Methoden können hier eine neue Sichtweise einbringen und so einen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten. Die SAGW will zukunftsweisende Konzepte, Methoden und Perspektiven der Gesundheitsforschung zur Diskussion stellen. Als wegweisend erachten wir dabei die Konzepte der Vulnerabilität, der Resilienz und der Lebensqualität sowie deren Stabilisierung im Lebensverlauf.

Gesundheit aus Sicht der Geistes- und Sozialwissenschaften

Gesundheit wird als dynamischer Prozess verstanden: Aktuelle Konzepte gehen von einer aktiv handelnden Person aus, die ihre biographisch-historischen und sozio-kulturellen Ressourcen nutzt, um Lebensqualität zu gewinnen und zu erhalten.

Gesundheit ist:

  • kontextualisiert (In einer rollstuhlgängigen Umgebung sind Gehbehinderungen besser zu ertragen.)
  • dynamisch (Gesundheit kann sich von einem Moment zum andern verändern.)
  • personalisiert (Knieprobleme sind für einen Sportler ein grösseres Problem als für einen Kunstbegeisterten.)

Im geistes- und sozialwissenschaftlichen Verständnis umfasst Gesundheit objektive und subjektive Ressourcen und individuell gewichtete subjektive Bewertungen des körperlichen, materiellen, sozialen und emotionalen Wohlbefindens. Dies dient als Grundlage für die Gesundheitsförderung, die Krankheitsprävention und den Lebensqualitätserhalt bei gesunden und erkrankten Personen.

Der Gesundheitsbegriff der Geistes- und Sozialwissenschaften orientiert sich an der neuen Gesundheitsdefinition der WHO.

Global Strategy and Action Plan on Ageing and Health

Mit dem «Global Strategy and Action Plan on Ageing and Health» hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine neue Gesundheitsdefinition mit wichtigen Auswirkungen vorgelegt: Gefordert wird unter anderem eine Ausrichtung der Gesundheitspolitik auf eine dynamische, kontextualisierte Stabilisierung der Lebensqualität: Mit den vorgeschlagenen fünf strategischen Zielen sollen jene Fähigkeiten gestärkt werden, die zum Wohlbefinden und zur eigenständigen Lebensführung beitragen. Die Fähigkeiten ihrerseits ergeben sich aus dem Zusammenspiel zwischen den Ressourcen einer Person und ihrer Umwelt. Entsprechend ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Sozialpolitik von hoher Bedeutung. Gemeinsam mit dem Netzwerk Gesundheitsforschung will die SAGW diesen zukunftsfähigen Ansatz weiterverfolgen.

Medical Humanities

Die Medical Humanities fördern den Umgang mit der Mehr- und Vieldeutigkeit von Krankheit und Gesundheit. Sie sind geeignet, die Medizin auch als Sozial- und Verhaltenswissenschaft zu verstehen. Dieses mehrdimensionale Verständnis trägt insbesondere der Zunahme wenig fassbarer Krankheitsbildern, Mehrfachdiagnosen und der Multimorbidität Rechnung. Alle Informationen zum Projekt sowie alle Berichte und Grundlagendokumente finden sich auf der Webseite der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

Von 2017 bis 2020 organisierte die SAGW zusammen mit der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften die Reihe «Macht und Medizin». Im Jahr 2021 starteten die beiden Akademien in Synergie mit der a+ Swiss Platform Ageing Society die vierjährige Reihe «Alt werden» (2021–2024).

Über die Reihe «Alt werden» (2021–2024)

Die alternde Bevölkerung stellt das Gesundheitssystem in unserem Land vor neue Herausforderungen: chronische Krankheiten und Multimorbidität, aber auch neue Anforderungen an die sozialen Bedingungen und Faktoren, die Gesundheit und Lebensqualität im Alter ermöglichen oder stabilisieren.

Im Sinne einer altersfreundlichen Gesundheitsversorgung und -förderung bietet das Konzept der «funktionalen Lebensqualität» eine tragfähige Grundlage: Die Möglichkeit, das Leben nach eigenen Vorstellungen und Zielen zu gestalten und zu tun, was für bedeutsam erachtet wird, zeichnet eine hohe funktionale Lebensqualität aus. Dabei sind nicht nur medizinische und pflegerische, sondern auch kontextuelle und soziale Faktoren bedeutsam, wie zum Beispiel die Betreuung sowie die soziale Integration und die Partizipation, die in den Bereichen der stationären, ambulanten und häuslichen Gesundheitsversorgung mitgedacht werden sollen.

In diesem Sinne können die Medical Humanities einen wertvollen Beitrag leisten, denn sie fördern den Umgang mit der Mehr- und Vieldeutigkeit von Krankheit und Gesundheit und sind geeignet, die Medizin auch als Sozial- und Verhaltenswissenschaft zu verstehen. Somit behandelt die Reihe «Alt werden» mit Blick auf eine altersfreundliche Gesundheitsversorgung und -förderung in vier Veranstaltungen folgende Themen: Altersbilder in der Gesellschaft und in der Medizin, Lebensqualität im Alter, gesundheitliche Grundversorgung, Langzeitbetreuung und Chancengleichheit.

Veranstaltungen in der Reihe

2021: Die Gesundheitsversorgung, die Gesellschaft und die «Alten»
2022: Hin zu einer altersfreundlichen Gesundheitsversorgung
2023: Besser altern, besser sterben: Menschliche, technische und spirituelle Ressourcen

Über die Reihe «Macht und Medizin» (2017–2020)

Im Gesundheitsbereich manifestiert sich Macht in unterschiedlichen Formen, Ausprägungen und Konstellationen: beispielsweise im Zusammenspiel von rechtlichen, ökonomischen und administrativ-politischen Steuerungsinstrumenten mit ihren jeweiligen Anreizsystemen oder in der Beziehung zwischen Arzt und Patientin.

2017 lancierte die SAGW zusammen mit der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften die Reihe «Macht und Medizin». In vier Veranstaltungen beleuchtete sie jeweils verschiedene Facetten der Wirksamkeit von Macht im Gesundheitsbereich:

2017: «Die Kraft der Normen»

2018: «Die Macht des Geldes»

2019: «Die Macht des Patienten»

2020: «Macht und Ohnmacht der Medizin»

Die Veranstaltungen sind im grösseren Kontext der Medical Humanities zu sehen, die auch Teil des Schwerpunktthemas «Gesundheitssystem im Wandel» der Akademien der Wissenschaften Schweiz sind. Die Medical Humanities fördern den Umgang mit der Mehr- und Vieldeutigkeit von Krankheit und Gesundheit und sind geeignet, die Medizin auch als Sozial- und Verhaltenswissenschaft zu verstehen.